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Stimme als vielseitiges Wunder
Musicaltheater ist in Deutschland noch nicht so kulturell verankert wie es dies in Amerika oder im vereinigten Königreich ist. Und doch müssen wir darüber sprechen. Wir haben in Deutschland die Unterscheidung zwischen E-Kultur und U-Kultur bzw. E- und U-Musik, die zwischen ernster (meist klassischer) und unterhaltender (eher modernerer) Darbietung differenzieren will. Dabei gerät Musicaltheater in die Kategorie der unterhaltenden Kultur und findet in Deutschland oft einen unterschätzenden Anklang.
Wenn wir uns anschauen, was Musicaldarstellende auf deutschen Bühnen leisten, können andere theatrale Formen in ihrer Varietät nur bedingt mithalten. Dazu muss uns erst einmal klar werden, warum das so ist:
Musicaltheater ist eine Theaterform, die Gesang, Tanz und Schauspiel miteinander vereint. Meistens ist ein Musical von einem bestimmten musikalischen Genre geprägt (West Side Story von der Klassik, Hamilton vom Rap-Gesang, & Juliet als Jukebox-Musial von Pop, etc.). Das bedeutet, dass Musicaldarstellende für eine Theaterform ausgebildet werden und nicht für ein spezifisches musikalisches Genre. Anders gesagt: Heute wird Sweeney Todd gespielt, nächste Woche Hairspray, darauf die Woche West Side Story. Um dem Musical und der entsprechenden Rolle gerecht zu werden, muss die Stimme belastbar sein und die Mittel haben, schnell verschiedene Stile bedienen zu können;
Die Stimme muss, neben dem Tanzen und der Verkörperung der Rolle, die musikalische Stilistik wahren. Trotz Mikrofon muss eine angemessene Lautstärke erreicht werden, die Glaubwürdigkeit der Rolle darf auch nicht verloren gehen (Stichwort: sprachnahe Gesangskunst). Zusätzlich muss die Stimme der Rolle angepasst werden;
Welches Alter soll dargestellt werden? Singe ich eine Liebesballade oder bin ich der witzige Nebencharakter?
Dann kommen noch die Einflüsse der modernen Zeit: Die Lieder werden tiefer, das Belting wird immer höher.
Dann kommen noch inszenatorischen Abmachungen, die Abstimmung mit den Dirigent*innen und und und.
Die Stimme im Musicaltheater ist immensen Anforderungen ausgesetzt, weswegen es umso wichtiger ist, sie zu pflegen.
Sie muss eine belastbare und dennoch flexible Mittellage besitzen, da sie ausschlaggebend für alle anderen stimmlichen Phänomene ist (angebundene Kopfstimme, Belting, Screaming, etc.). Sie muss ,,Kern'' haben und gleichzeitig schwingen dürfen und in ihrer Lautstärke variieren können. Sie muss glaubhaft der singenden Person entspringen und darf gleichzeitig nicht zu privat werden.
Und dann soll noch mal jemand sagen: Musical ist nicht anspruchsvoll.
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